Im Mai war das Schriftstück im Briefkasten: Meine Krankenkasse möchte ein Foto für die eGK. „Bitte“ stand dabei. Nun wer mich kennt kann sich meine Meinung zur elektronischen Krankenkarte denken: Zwar mag es Vorteile bringen die Datenbestände zu digitalisieren, aber wie bei so vielen Projekten mit politischem Hintergrund wurde auf konzeptioneller und technischer Seite gewaltig verkackt.
Wir bauen einen gläsernen Patienten
An erster Stelle auf meiner Kritikliste steht die elektronische Krankenakte. Generell hätte ich diese in Form der ursprünglichen Überlegung Vorteile sehen können: Die Akte wird auf dem Speicher der Karte abgelegt und ist mit der PIN des Patienten verknüpft. Mit diesem Konzept erhalte ich als Patient die Kontrolle über meine Akte – ich entscheide wer sie wann sehen kann, so ist es mir z.B. möglich der Urlaubsvertretung meines Hausarztes im Bedarfsfall Zugang zu meiner Krankengeschichte zu geben – praktisch. Doch…
was, wenn jemand die Karte verliert?
Da die Ärzte weiterhin ihre lokalen Krankenakten hätten wäre es durchaus möglich den Datenbestand wiederherzustellen
und in Notfällen?
Einige Institutionen forderten eine Art „Notfall-PIN“, mit der Notaufnahmen o.Ä. auf die Akte zugreifen könnten um Patienten zu versorgen, welche nicht mehr ansprechbar sind. Nun, eine generelle Not-PIN bietet natürlich wieder einiges an Missbrauchspotential – eine PIN ist geheim und was geheim ist findet man früher oder später im Internet. Mein Vorschlag dazu war diese individuelle Notfall-PIN bei vertrauenswürdigen Personen zu hinterlegen (Familie o.Ä.) und die Ansprechpartner auf der Karte zur Verfügung zu stellen. Wir sollten nicht vergessen: Heute haben die Notaufnahmen quasi keinen Zugriff auf die Krankenakten und in Notfällen zählt in erster Linie die Versorgung des Patienten und nicht das suchen nach Versicherungskarten…
aber wen interessierts…
Das Ende des Liedes: Die Krankenakte landet nicht auf der Karte sondern einem zentralen Server. Die Karte enthält nur einen Zugangsschlüssel, welcher es den Ärzten erlaubt per Internet auf die Akte zuzugreifen.
Google Health reloaded?
Wer Internet liest und sich mit Technik auskennt weiß was das heißt: Sicherheit ade. Ich verweise da gerne auf meinen fatalen Zahlendreher vor etwa 8 Jahren: Ich wollte mit einem Freund testen, ob SMB auch über Internet möglich wäre – leider hatte ich die letzten Ziffern der IP versemmelt – Ergebnis: Ich sah trotzdem Shares: „korrespondenz“, „rechnungen“, „krankenakten“. Nun, die Telefonistin der Arztpraxis war offenbar etwas geschockt, als ich sie auf die „kleine“ Lücke hinwies… Heute „schützen“ zwar Router die Netze – bzw. im Falle der eGK ein vorkonfiguriertes Blackbox-VPN-Gateway – aber ob man denen vertrauen möchte?
Apropos Ärzte…
Wenn ich mir z.T. das technische Wissen der Ärzte anschaue muss ich mich doch fragen wie viele Stunden wohl pro Patient zum Abtippen der Daten in „diesen Dreckskasten“ verschwendet werden, welche sicher besser in der Behandlung anderer Patienten angelegt wären. Vor allem wenn man die Usability von anderer staatlicher Software kennt weiß man, dass hier schon das ausfüllen eines Textfeldes Stunden kosten kann…
Da war doch was
Und außerdem: Möchte man immer, dass jeder Arzt alle Daten sieht? Eine zweite Meinung ist ab und an nicht zu unterschätzen – und die wird es kaum geben, wenn der Arzt sieht, dass man die gleiche Untersuchung schon an den letzten beiden Tagen hatte. Ich meine jedem Arzt können bei der Untersuchung Dinge entgehen, Fehler unterlaufen oder er auf Grund seiner Überzeugungen (Streitthema Homöopathie) zu Ergebnissen kommen, welche nicht immer die bestmögliche Behandlung nach sich ziehen.
und wer liest mit
Zudem stellt sich die Frage wer so alles die Krankenakte mitliest. Nicht nur Krankenkassen sondern auch Arbeitgeber oder Marketingagenturen hätten sicherlich Verwendung für die Daten – und was das Argument „wird keinesfalls für andere Zwecke verwendet“ wert ist haben wir ja schon bei den Mautbrücken gesehen…
Elektronische Rezepte
Rezepte sollten in einer späteren Ausbaustufe auch über die Karten laufen. Angenehm, wenn man keine Medikamente bekommt, weil grade Server, Internetverbindung der Apotheke oder einfach nur der Tresencomputer grade Schluckauf hat, oder? Soweit ich erkenne wurde diese Idee aber wegen einer Sicherheitslücke erst mal gekippt…
und in der Zukunft?
Die eGK hat einen Prozessor, die Infrastruktur zentrale Server – und alle lassen sich wie bei den Mautbrücken gesehen um Funktionen erweitern…
Oder um Horst Dreyer, zuständig für Dienste der neuen eGK, zu zitieren:
Im Rahmen eines Herz/Kreislauf-Problems könnten Versicherte verpflichtet werden, regelmäßig Fitnessstudios aufzusuchen und ihre Anwesenheit durch Stecken der Gesundheitskarte zu dokumentieren.
aber der Patient bekommt ja auch was!
Die Rechnung.
Aber zurück zum Thema: „Bitte“ schrieb meine Krankenkasse – meine gekürzte Antwort: „Nein, Danke“. Meine aktuelle Karte ist noch ein paar Jahre gültig, ich habe also keinen Bedarf an Neuware. Mein Schreiben ging Ende Mai raus, die Antwort folgte erst Heute: Ein dreiseitiges Infoschreiben des Bezirksgeschäftsführers ist klar…OK, die Unterschrift ist tatsächlich nicht nur aufgedruckt…, ein Ersatz-Kartenantrag und ein (unfrankierter) Rücksendeumschlag. Man Freue sich auf den Dialog mit mir (da sag ich nicht nein) – dahinter klebte ein weiterer fertiger Textblock, welcher zwischen „ist doch ganz toll“ und „wir sind ja nicht Schuld“ schwankt. Zu guter letzt gibt es den Hinweis auf drohende Kosten und einen Block, welchen ich mit „ersparen sie uns doch bitte die Arbeit“ übersetzen würde. Der komplette Brief ist am Ende des Posts angehangen.
Nunja, wenn man sich das durchliest wird man eine Menge Ansatzpunkte für die offenbar freudig erwartete Diskussion – und die nahm ich natürlich mit Freude an und habe kurz einige der Punkte angekreidet (z.B. Sicherheit wegen der anfälligen Kartenleser und dem erst kürzlich aufgetretenen PIN-Fail). Mal schauen was dann nächsten Monat als Antwort eintrudelt…
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